Stadt der Extreme

Mini-Mieten, Merz-Straße, Mega-Migration und Millionen für die Medien-Mannschaft
Ein Augsburg-Kommentar von Wolfgang Bublies
Augsburg ist eine Stadt der Extreme und Gegensätze: Die Schwaben-Metropole gilt seit Jahren als ärmste Großstadt im Freistaat (gemessen am durchschnittlichen Haushalts-Einkommen), andererseits ist sie bei den Grund- und Gewerbesteuern bayernweit ganz vorne dabei. Und trotzdem leben hier viele zufriedene Menschen, wie unlängst eine TOP-Platzierung im Glücksranking suggeriert hat. Augsburg ist dem- nach die glücklichste Stadt Bayerns – weit vor München!
Vorne und hinten fehlt am Lech zwar seit Jahren das Geld (Merke: Koi Geld ham mir immer scho g´habt), man leistet sich aber den sündteuersten (und nicht mal wasserdichten) Theaterumbau aller Zeiten. Am Hauptbahnhof gibt es zudem eine ebenfalls kostspielige Untertunnelung für die Tram. Dabei weiß man heute immer noch nicht, ob und wann hinten Straßenbahnen rauskommen, um irgendwann das Uni-Klinikum anzusteuern, das (wie die Gleise dorthin) völlig neu gebaut werden soll. Wer jetzt schon von Sankt-Nimmerleinstagen spricht, gilt inzwischen als Optimist.
Zu den Fakten, wonach Augsburg eine Stadt der Extreme ist, zählt auch die örtliche Vielfalt der Bewohner (an die 50 Prozent haben einen Migrations-Hintergrund), der dennoch eine besonders niedrige Verbrechensrate entgegensteht. Man könnte glatt glauben, woanders (wo mehr passiert) sind es gar nicht die Zuwanderer, die für die Kriminalität sorgen. Womöglich stecken vorwiegend Leute dahinter, die Recht mit rechts(-extremistisch) verwechseln.
Wenn hier des Weiteren von „extrem“ die Rede ist, dann im Sinne von außergewöhnlich oder auch unverhältnismäßig. So wie das offenbar für die städtische Öffentlichkeitsarbeit zutrifft, wo inzwischen mehr als 50 Personen beschäftigt sind. Kosten im Jahr: knapp 4,3 Millionen Euro; anno 2020 waren es noch unter drei Millionen. Das Schlimme: Die Arbeit für Medienschaffende wird eher erschwert, wenn sie nicht nur schöne (womöglich geschönte) Pressemitteilungen verbreiten wollen. Während man früher bei der Recherche mal kurz mit Stadt-Referenten oder Amtsleitern telefonieren konnte, muss man heute Anfragen schriftlich einreichen – Hauptsache umständlich!
Die Liste der Augsburg-Besonderheiten ließe sich noch länger fortsetzen. Die Palette reicht vom eigenen Feiertag, über die berühmte Puppenkiste bis hin zur Friedrich-Merz-Straße!? Tatsächlich, unsere Lech-Metropole scheint bundesweit die einzige Stadt mit einem bereits nach dem neuen Kanzler benannten Weg. Stimmt so nicht ganz: Besagter Friedrich Merz, dem schon vor 15 Jahren eine Straße gewidmet wurde, war einst im 18. Jahrhundert ein erfolgreicher Textilunternehmer und Chef der Augsburger Kammgarn-Spinnerei AKS – auch etwas Besonderes.
Zurück zur Jetzt-Zeit: Verstrickt ist auch so manches beim Sport vor Ort: Der FCA hat zum Saisonende schon wieder durch unnötige Niederlagen gute Tabellenplätze verspielt und Millionen an TV-Geldern verballert. Alles andere als normal ist zudem, wie die Eishockey-Panther in den letzten drei Jahren erstklassig geblieben sind. Zweimal, weil die Aufsteiger nicht aufsteigen wollten, und zuletzt, weil – um es positiv auszudrücken – gerade noch eine Punktlandung gelungen ist. Obwohl „Punktlandung“ stimmt ja auch nicht. Es war nur das bessere (bzw. nicht ganz so schlechte) Torverhältnis, dass Augsburg einmal mehr gerettet hat. Und während den einen immer wieder das Wasser bis zum Halse steht, droht unseren Vorzeige-Kanu-Athleten, dass ihr Eiskanal austrocknet.
Ja, Augsburg ist schon eine besondere Stadt: Was nicht heißt, dass es hier nicht auch Probleme gibt, die bundesweit Sorgen bereiten. Zum Beispiel die Wohnungsnot. Die ist auch hier groß, vor allem, weil – wie überall – bezahlbarer Wohnraum fehlt. Nur ein paar Zahlen: Alles in allem wurden am Lech 2024 (inklusive Umbauten und Nut- zungsänderungen) knapp 1250 Wohnun- gen fertiggestellt – man höre und staune: rund 200 mehr als 2023. Das ist allerdings schon deshalb kein Grund zur Entwarnung, da in den Jahren davor der Immobilienzu- wachs geschrumpft war. Nach wie vor kann der Wohnungsbau am Lech mit dem prog- nostizierten Bevölkerungswachstum nicht mithalten.
Dass echte Lösungen in weiter Ferne sind, hat viele (hier nur kurz skizzierte) Gründe: Das Bauen wird (auch wegen des Bürokratismus-Wahnsinns) immer teurer, die Zinsen sind nicht mehr so günstig, in Bayern ist das Geld für Bauprogramme aufgebraucht. Nicht zu vergessen, dass immer wieder günstige Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. Schließlich fehlen „echte“ Anreize und Ideen, um den Weg zu einem Eigenheim (speziell für junge Familien) zu fördern oder dem Mietpreis-Anstieg zu begegnen. Wie wäre es denn, wenn man als Vermieter, der unter den üblichen Ortsmieten bleibt, Steuervorteile hätte? Das Gegenteil ist der Fall: Wer zu wenig Miete verlangt, wird vom Finanzamt bestraft. Hoffnungen auf günstigeren Wohnraum am Lech sind unrealistisch, das Gegenteil ist der Fall. Augsburg ist leider keine Ausnahme.
Oder doch? Tatsächlich bietet die Fuggerstadt die extrem-günstigsten Mieten der Welt – seit mehr als 500 Jahren: Man bezahlt 88 Cent – pro anno (!). Allerdings gilt das nur für 67 Häuschen mit insgesamt 140 Wohnungen, und zwar in der Fuggerei als eine der älteste Sozialsiedlung auf Erden. Ein Paradies! Wenn da nicht die steigenden Nebenkosten wären…