Frauen im Chefsessel: Prof. Dr. med. Martina Kadmon im Interview

Die Macherin, die auch mal anders denkt
In dieser Reihe stellt Trainerin und Coach Gertrud Hansel (Inhaberin der Schule für Unternehmer in Augsburg) erfolgreiche Frauen vor, die den Weg an die Spitze geschafft haben. Diesmal ist sie bei Prof. Dr. med. Martina Kadmon, Dekanin der neuen Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg und Vorstandsmitglied des Universitätsklinikums, zu Gast. Im Mai 2017 hat die 63-Jährige ihren Weg in Augsburg als Gründungsdekanin begonnen. Damals kam sie auf die grüne Wiese – mit nur einem Laptop unter dem Arm. Sie war voller Wissen, Tatendrang und Energie für den Aufbau dieses Mega-Projektes. Und sie leistet Großartiges: In nur sieben Jahren berief sie 63 Professorinnen und Professoren und etablierte mit ihrem Team einen Modellstudiengang, der Theorie und Praxis vereint. Im Herbst hat sie den hochmodernen Medizincampus direkt neben dem Universitätsklinikum einweihen dürfen – ein Meilenstein für die jüngste Medizin-Fakultät Bayerns. Warum das ihr Ziel war, wie sie Familie und Arbeit unter einen Hut bringt und was ihr am wichtigsten ist, hat sie unter anderem im Top-Interview erzählt.
Gertrud Hansel: Liebe Frau Kadmon, wie kam es, dass Sie sich heute im Chefsessel wiederfinden?
Martina Kadmon: Das ist eine lange Geschichte (lacht). Bis ich 40 Jahre alt war, habe ich als Chirurgin an der Uni-Klinik in Heidelberg gearbeitet. Dann bot sich die Gelegenheit, mir neben meiner ärztlichen Karriere ein zweites Standbein in der medizinischen Hochschulausbildung aufzubauen. Meine Tochter war zu dieser Zeit fünf Jahre alt. Die neue Aufgabe habe ich zunächst 13 Jahre parallel zu meiner Tätigkeit als Chirurgin ausgeübt. Vor zehn Jahren ergab sich die Chance, als Professorin für medizinische Ausbildung und Ausbildungsforschung nach Oldenburg zu gehen. Dort konnte ich ebenfalls eine Aufbausituation einer medizinischen Fakultät begleiten und ich habe mich bewusst entschieden, meine klinische Tätigkeit aufzugeben.
Gertrud Hansel: Wollten Sie immer schon eine Führungsrolle einnehmen?
Martina Kadmon: Ja, eigentlich schon. Als Oberärztin an der Chirurgischen Uniklinik in Heidelberg habe ich erste Leitungserfahrungen gewonnen. Ich war immer interessiert und neugierig auf Neues. Mit meinem berufsbegleitenden medizindidaktischen Masterstudium in der Schweiz hat sich mir dann ein neuer Horizont eröffnet.
Gertrud Hansel: Sicher hatten Sie von Beginn an ein Zielbild im Kopf. Mit welchen Herausforderungen hatten sie damals zu kämpfen?
Martina Kadmon: Mein Ziel war es immer, Oberärztin in einer der renommiertesten Kliniken in Deutschland zu werden. Das hatte ich nach 14 Jahren Berufstätigkeit erreicht. Im November 2014 folgte ich dem Ruf auf den Lehrstuhl für medizinische Ausbildung und Ausbildungsforschung an der Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, wo ich im Jahr 2016 die Position als Studiendekanin und später kommissarische Dekanin innehatte. Dann kam das Angebot aus Augsburg, das Amt der Gründungsdekanin zu übernehmen. Ich empfand das als riesige Aufgabe, vor der ich Respekt hatte und von der ich wusste, dass sie ein Abenteuer sein würde. So ein großer Veränderungsprozess löst bei Menschen durchaus Unsicherheit und auch Ängste und Sorgen aus. Man muss da behutsam sein, Pläne und Strategien genau erläutern, viel miteinander reden. Hier in Augsburg habe ich ein tolles Team gewinnen können, mit dem ich sehr gern arbeite.
Gertrud Hansel: Was hat sie an dieser Aufgabe besonders gereizt?
Martina Kadmon: Spaß und Freude an Herausforderungen in einem neuen Bereich – das war das Entscheidende.
Gertrud Hansel: Wie schaffen Sie es, dass Ihr Team mit Ihnen an einem Strang zieht? Haben Sie dazu einen Tipp?
Martina Kadmon: Ich leite mein Team hier im Dekanat mit wenig Hierarchie und wie früher meine wissenschaftliche Arbeitsgruppe in Heidelberg. Die Türen bei uns sind offen. Wir haben neben regelmäßigen Teamsitzungen jede Woche einen Open Jour Fixe, wo jeder seine Themen nach Bedarf anmelden kann. Ich bin nahe am Team und mir ist es wichtig, dass gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine sichere Stelle haben und auch adäquat bezahlt werden. Mein Tipp: Diese grundlegenden Dinge müssen klar und geregelt sein. Ich bemühe mich sehr um Stabilität im Dekanat, die am besten durch lange Beschäftigungsverhältnisse und Dauerstellen entsteht.
Gertrud Hansel: Eine Dekanin hat ein großes Aufgabengebiet. Was liegt Ihnen denn besonders am Herzen?
Martina Kadmon: Das sind sicher die Menschen, die hier arbeiten und die wir für Augsburg gewonnen haben. Wer sich für Augsburg entscheidet, soll Bedingungen vorfinden, die so reizvoll sind, dass man gerne hierbleibt. Das ist heutzutage besonders wichtig.
Gertrud Hansel: Sie haben Herausragendes bewegt und tragen viel Verantwortung. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Arbeit und Privatleben?
Martina Kadmon: Da meine Tochter inzwischen erwachsen und selbstständig ist, habe ich wieder mehr Freiräume. Die zu gestalten hält mich gesund. Die freie selbst gewählte Zeiteinteilung ist für mich ein Luxus, den ich genieße. Ich pendle zwischen Heidelberg und Augsburg und entscheide selbst, an welchem Wochenende ich wo bin. Als meine Tochter noch klein war, hat mich mein Mann in der Betreuung sehr unter-stützt.
Gertrud Hansel: Frauen in der Chefetage finden sich immer mehr. Ist das auch in der Medizin der Fall?
Martina Kadmon: Ja, das ist sicher so. Als ich an der Chirurgischen Uni-Klinik in Heidelberg 1990 startete, gab es nur zwei Frauen. Damals war es nicht einfach, sich in der Facharztausbildung durchzusetzen. Es hat sich seitdem zwar viel geändert, es gibt viele Ärztinnen im Berufsleben, aber den-noch gibt es gerade in der Chirurgie wenige Frauen in Führungspositionen.
Getrud Hansel: Etwas Neues auf die Beine zu stellen, ist sicher eine tägliche Herausforderung. Wie schaffen Sie es, motiviert zu bleiben?
Martina Kadmon: Da muss ich über-legen, aber letztendlich definiere ich mich schon über Arbeitsergebnisse. Ich sehe gerne, was ich geschafft habe, und motiviere mich über meine erreichten Ziele. Dieses neue Gebäude hier ist ein gutes Beispiel. Ich war bei der Planung dabei, meine Ideen sind mit eingeflossen, und jetzt sehe ich das Ergebnis. In meiner chirurgischen Tätigkeit habe ich auch geschätzt, dass man sofort ein gutes Therapieergebnis sieht – aber eben auch, wenn etwas nicht gut läuft. Für meine Motivation ist auch Anerkennung ein wichtiger Part. Und ich selbst schätze auch sehr, was andere machen.
Gertrud Hansel: Wofür wären Sie gerne für andere Frauen ein Vorbild?
Martina Kadmon: Ich wäre gerne Vorbild für den Mut, Chancen zu ergreifen, die sich bieten, und auch Risiken einzugehen, die damit verbunden sein können. Und auch dafür, dass Karrierewege nicht immer gerade sein müssen. Am spannendsten sind manchmal die, die auf Umwegen entstanden sind.
Gertrud Hansel: Was ist Ihr ultimativer Tipp für Frauen, die eine verantwortungsvolle Position anstreben?
Martina Kadmon: Versuchen Sie möglichst viel über den Kontext, in dem sich die Position befindet, zu erfahren und formulieren Sie konkrete Ziele, die Sie verfolgen würden. Je informierter Sie sind, desto besser können Sie sich positionieren. Ich habe viele Berufungsverfahren in den letzten Jahren begleitet, und mich überzeugen am meisten Bewerberinnen und Bewerber, die sich mit dem Standort, der Position und dem Umfeld gut auseinandergesetzt haben. Genau das ist es oft auch, was die Bewerber am stärksten unterscheidet.
Gertrud Hansel: In ihrer Rolle als Frau im Chefsessel braucht es eine Zukunftsvision. Geben Sie uns doch einen kleinen Einblick, was noch kommen wird?
Martina Kadmon: In Forschung und Lehre eine Fakultät aufgebaut zu wissen, die sich im Vergleich zu anderen medizinischen Standorten behaupten kann, die ein eigenes Profil hat und attraktiv ist für kluge Köpfe. Das ist meine Vision für die Zukunft. Zur Dekanin gewählt bin ich noch bis Ende April 2028, da habe ich noch ein bisschen Zeit dafür. (lacht)