Wo sind die Ö-Pünktchen geblieben?

Wo sind die Ö-Pünktchen geblieben?

Business-ABC der anderen Art: Neue Namen und alte Firmen

von unserem Redakteur Wolfgang Bublies

Raider heißt jetzt Twix – seit 35 Jahren. Den Schokoriegel an sich kennt man in Deutschland schon 50 Jahre. Ein Klassiker. Na ja!? Echte Klassiker findet man in Augsburg – wenngleich auch oftmals unter neuem Namen: Jüngster Streich: MAN heißt jetzt Everllence, oder so? Nach 127 Jahren (Gründung 1898) ist MAN sozusagen out. Diese Reihe lässt sich locker fortsetzen: Drei Mohren heißt jetzt Maximilian’s, Zeuna Stärker wurde zu Faurecia. Und: Osram mutierte zu Ledvance. Obwohl: Auch Ledvance gibt es nicht mehr am Lech. Hier wollen wir mal Traditionsfirmen beleuchten, die nicht mehr wie einst heißen oder bei denen, um im Bild zu bleiben, die Lichter ausgegangen sind. Für jeden Buchstaben gibt es Beispiele, auf die wir hier (mit Nebenbemerkungen) blicken.

AKS – gibt´s nicht mehr. Oder doch? Tatsächlich findet man seit 2002 eine AKS, nämlich den Meisterbetrieb AKS Augsburger Kälte Service, spezialisiert auf Wartung und Service von Kühl- und Klimaanlagen. Aber die alte AKS, also die Augsburger Kammgarn-Spinnerei, einst gegründet von einem gewissen Friedrich Merz (nicht verwandt oder verschwägert mit dem Bundeskanzler) ist seit 2002 verschwunden, wie viele Textilbetriebe am Lech. Wenn man heute noch von AKS spricht, meint man Augsburgs Kulturgutspeicher – ein Hinweis auf Textilmuseum, Stadtarchiv und Archäologischen Sammlungen, die man heute dort findet.

Böwe heißt jetzt Bowe. Das haben wömoglich, sorry: womöglich viele noch gar nicht bemerkt. Die Ö-Pünktchen sind weitgehend weg, seit 2020. Da wurde aus der von Max Böhler und Ferdinand Weber nach dem Krieg gegründeten Firma (u.a. für Textilreinigungsmaschinen) zur Bowe Group, die mit weltweit 1000 Beschäftigten in den Bereichen Automatisierung, Intralogistik, Maschinenbau, Postbearbeitung und Software tätig ist. Schon schön!

Chemische Fabrik Pfersee – auch eine Ex-Textilfabrik, anno 1888 als Bernheimsche Appreturfabrik gegründet. Nach dem Umzug nach Langweid hieß sie zunächst Pfersee Chemie, durch die Fusion mit Ciba wurde der Name dann aber auf Ciba Spezialitätenchemie Pfersee GmbH geändert. 2007 wurde die Fabrik dann von der Huntsman Corporation, einem international tätigen Chemieunternehmen mit Sitz in Salt Lake City, übernommen.

Drei Mohren ohne Ö-Pünktchen. Die hatten junge Leute vorgeschlagen, die „Mohren“ als rassistisch empfanden. Nur, wer kehrt schon ins Drei Möhren ein? Dann doch besser Maximilian’s. Bei allem Verständnis dafür, dass sich das traditionsreiche Nobelhotel durch eine Namensänderung der Kritik entzog, haben viele Augsburger dies nicht verstanden. Das „Mohren“ geht schließlich auf Monche, äh Mönche zurück, die einst im 15. Jahrhundert dort logierten. Kein Wunder, wenn sich so mancher fragt, wohin das noch führt. Womöglich muss man bald Jim Knopf weiß anmalen, den Judenberg oder gar den Führerschein umbenennen. Und wehe, einer, der in der Tram nicht bezahlt, wird Schwarzfahrer genannt.

Ente, Engel, Egge (alle Frauentorstraße) aber auch Eck und Eisenhut waren Namensteile von Augsburger Brauereien, die es längst nicht mehr gibt. 1530 wurden am Lech 145 Braustätten gezählt, um 1800 waren es noch 98, 100 Jahre später etwa die Hälfte, nämlich 48. Und trotz Eingemeindungen gab es 1972 nur noch neun Brauereien in Augsburg.

Fortunabräu, als eine der bekanntesten Bier-Hersteller dieser Zeit, wurde kurz danach geschluckt (1975) – von Hasenbräu. Der „Hase“ war gierig. Mehr als 30, teils zumeist Jahrhunderte alte Braustätten, fanden in dieser Brauerei ihr Ende, darunter etliche mit tierischen Namen wie Ochse, Rössle, Gockel, Adler, Bären, Löwen, Karpfen, Walfisch, Krebs und Hirsch. Hasenbräu war längst (seit 1890) eine Aktiengesellschaft und gilt als typisches Beispiel für die Industrialisierung im Brauwesen. Durch den Aktien-Verkauf ging Hasenbräu an Tucher und wurde 2004 in die Radeberger-Gruppe des Oetker-Konzerns eingegliedert. Dennoch wird seit 2011 wieder Hasen-Bier gebraut – in der Kälberhalle. Echt tierisch!

Gutmann Moden gab es im vergangenen Jahrhundert in einem weithin bekannten Bekleidungshaus in der Bahnhofstraße – geprägt vom Besitzer Max Gutmann, der posthum zum Ehrenbürger ernannt wurde, weil er sich vielseitig engagierte (z. B. Universitätsstiftung). Mit der von ihm 1965 gegründeten Prominenten-Mannschaft Datschiburger Kickers wurde rund drei Millionen D-Mark für wohltätige Zwecke eingespielt. Sein Modehaus hat Nationalmannschaften eingekleidet. Und der quirlige Chef stand gern selbst vor seinem Geschäft und verteilte, etwa zur Fußball-WM 1974, die Maskottchen Tip und Tap.

Haindl Papier heißt längst UPM-Kymmene. Das Unternehmen, das aus einer Papiermühle entstand und seit 1849 von der dann namensgebenden Familie Haindl geführt wurde, ist nicht von Pappe. Es produzierte tonnenweise Papier und stellte als erste Firma in Deutschland ab 1873 mit der „Papiermaschine III“ endloses Rollenpapier für Zeitungen her. Das Werk wuchs und weitere Standorte kamen dazu. 32 Nachkommen des Gründers verkauften das Unternehmen, in dem einst sogar Bert Brechts Vater gearbeitet hatte, anno 2002 an UPM aus Finnland. Der Unternehmens-Name Haindl ist seither Geschichte.

Interot ist abgeflogen. Gemeint ist die Fluggesellschaft Augsburg Airways, zunächst nach der Haindl-Spedition Interot benannt, die der Papierkonzern ab 1981 betrieb. Es gab regelmäßig Flüge nach Düsseldorf, Hamburg, Köln/Bonn, Berlin und später zu weiteren Zielen, sogar im Ausland. Höhenflüge erreichten die „Papierflieger“ (nicht böse gemeint) später im Team Lufthansa. Bis 2004 bestimmt die Unternehmerfamilie Haindl die Geschicke der Flugfirma, dann folgten mehrere Besitzerwechsel, bis der Flugbetrieb im Herbst 2013 eingestellt wurde.

JVA ist seit 2015 in Gablingen. Eigentlich kein Unternehmen, dennoch passt der Knast (also die Justizvollzugsanstalt) hier, weil wir bei „I“ Infomatec übersprungen haben. Die 1988 gegründete Software-AG ist doppelt in Erinnerung. Zum einen als FCA-Hauptsponsor, zum anderen wegen vieler betrügerischer Ad-hoc-Meldungen, die zur Insolvenz führten. Infomatec ist abgestiegen, die Aktien, die zu Penny-Stocks (Zockerpapieren) mutierten, sind seit 2013 nicht mehr gelistet. Der FCA ist (völlig unabhängig davon) weiter erstklassig.

Kattunfabriken – lange am seidenen Faden – haben sich abgeseilt. Das Bedrucken von Baumwollstoffen war in der Textilstadt Augsburg von großer Bedeutung. Doch der Niedergang dieser Branche hat auch diese Fabriken erwischt. Die Schülesche (1770 bis in die 1990er Jahre) ist heute Hochschule (nicht Hochschüle), die NAK, also die Neue Augsburger Kattunfabrik (1702 bis 1996), stand da, wo sich seit 2001 die City-Galerie befindet.

Leder Buchler packt die Koffer. Das Traditions-Geschäft wurde in Augsburg Mitte 2016 geschlossen. Immer weniger Kunden und die Online-Konkurrenz wurden als Gründe genannt. Das Unternehmen, das mehr als 100 Jahre Taschen, Rucksäcke und Reisegepäck verkauft hatte, ist aus dem Stadtbild verschwunden. Echt erfolgreich mit dem Verkauf von Taschen, Koffern, etc. sind (auch weit über Augsburg hinaus) die Geschäfte von Koffer-Kopf.

Magesberg heißt jetzt Leonhardsberg. Nein, so darf man das nicht behaupten. Der Leonhardsberg hieß schon immer Leonhardsberg. Aber alle sagen Magesberg. Warum? Weil dort im vorigen Jahrhundert das Bekleidungshaus Mages stand. Es ist längst verschwunden, der ansonsten unbekannte Name ist als Datschiburger Straßenberg-Bezeichnung geblieben.

NCR heißt AT&T – das war einmal (1994). AT&T heißt NCR, hieß es bereits 1995. Die Augsburger Tochter des Konzerns aus der Partnerstadt Dayton (Ohio), die einst in Kriegshaber Registrierkassen und PCs (bis 1996) herstellte, hat ihren Namen (für den Computerzweig) schnell zurückbekommen. Und er besteht noch in Augsburg, zwar nicht mehr in Kriegshaber, aber in der ehemaligen Weltbild-Zentrale in Lechhausen.

Osram wurde Ledvance – dann gingen dort die Lichter aus. Die Osram-Geschichte in Augsburg begann 1906 mit der Gründung einer Glühlampenfabrik. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Standort von Osram übernommen und ausgebaut. 2017 ging die ausgegliederte Leuchtensparte als Ledvance an eine chinesische Investorengruppe. Kurz darauf wurde die Schließung des Standorts angekündigt. Im November 2019 hieß es: Ein Investor hat das Ledvance Areal an der Berliner Allee gekauft. Von Wohnbau ist die Rede.

Premium Aerotec heißt (seit 2023) Airbus. Logisch. Das Werk, das Flugzeugteile baut, war schon davor eine Geschäftseinheit von Airbus. Wie beim Fliegen üblich ging es beim Flugzeugbau am Lech immer wieder Auf und Ab. Und auch die Namen wechselte nicht zum ersten Mal. Hier die Historie im Zeitraffer: Das Traditions-Unternehmen MBB (also Messerschmitt Bölkow Blohm) heißt jetzt Dasa, wurde 1992 vermeldet. 2000 folgte „Dasa heißt jetzt EADS“ und 2009 „EADS heißt jetzt Premium Aerotec“. Ready for takeoff!

Quieta ist heute kalter Kaffee. Gegründet 1912 in Bad Dürkheim (in der Pfalz) wurde zur Herstellung von Kaffee-Ersatz der Marke „Quieta“ 1919 an der Holzbachstraße in Augsburg ein Zweigwerk erstellt. Nach Kriegszerstörungen erfolgte 1952 ein Neubau, der 1955 sogar noch erweitert wurde. Auf die Umfirmierung 1997 in Carl Moll Landkaffee GmbH folgte ein heftiger Personalabbau. Das Werk wurde 2001 abgerissen. Ergo: „Dauerhaft geschlossen“.

Rumpler-Werke – längst weg. Nur noch die Rumplerstraße im Univiertel (mit holperfreier Fahrbahn) erinnert an den Berliner Kampf-Flugzeuge-Hersteller, der ab 1916 ein Zweigwerk in Augsburg (nördlich besagter Straße) betrieb. Der Versuch nach dem 1. Weltkrieg, Autos (aerodynamische, aber ansonsten wenig praktische Tropfenwagen) zu bauen, scheiterte. Die Bayerische Rumpler-Werke AG musste 1923 Konkurs anmelden und veräußerte 1926 die Produktionshallen an die Bayerischen Flugzeugwerke, die später zu Messerschmitt bzw. MBB wurden. Die weitere Geschichte steht unter P wie Premium Aerotec (heute Airbus).

SWA – diese Abkürzung hatte mal eine ganz andere Bedeutung. Sie stand für die 1837 gegründete Spinnerei und Weberei Augsburg, eines der ältesten Textil-Unternehmen in Deutschland mit vier großen Werken, von denen Fabrikschloss und Glaspalast mit neuer Nutzung noch bestehen. Die SWA wurde 1989 geschlossen – und zur Jahrtausendwende neu belebt. Zumindest das Kürzel. Es steht seither für die „Stadtwerke Augsburg“.

Transparo – schon mal gehört? Eher nicht. So hieß ein Augsburger Vergleichsportal für Versicherungen, Bankprodukte und Energietarife, das ab 2011 online war. Kurz nachdem im Frühjahr 2014 bekannt wurde, dass die Versicherung HUK-Coburg alle Anteile übernommen hatte, wurde das Portal zur Jahresmitte eingestellt.

UTB Kreditbank war der ursprüngliche Name der Augsburger Aktienbank AG, die seit Ende 2022 Geschichte ist. Anno 1963 gegründet, galt die filiallose AAB als eine der ältesten Direktbanken Deutschlands, die (bis etwa 2017) zu den größten Wertpapierbanken in Bayern anwuchs. Dann folgten Verlustjahre, der Verkauf von Geschäftsbereichen und letztlich die Einstellung der Bankgeschäfte und die Rückgabe der Banklizenz.

Vereinigte Gaswerke in Augsburg hieß ein 1883 u.a. von August Riedinger gegründetes Gasproduktions- und -Versorgungsunternehmen, das international tätig war. 1933 erfolgte eine Fusion mit der „Gesellschaft für Gasindustrie in Augsburg“, ab 1943 war dann die Licht- und Kraftversorgung in München (LUK) bestimmender Aktionär der AG. 1979 ging die LUK in der Thüga auf, ein kommunaler Energie- und Wasserdienstleistungskonzern, der heute mit rund 100 Stadtwerken das größte Netzwerk kommunaler Dienstleister in Deutschland ist.

Weltbild ist aus der Welt. Das Augsburger Handelsunternehmen, 1968 aus den 1948 gegründeten katholischen Winfried-Werken hervorgegangen, gehörte lange den deutschen Diözesen. Über Onlineshops, Social Commerce, Kataloge und bis zu 420 Filialen wurden in sechs Ländern Medien- und Non-Media-Produkte vertrieben. Nach einer ersten Insolvenz 2014 stieg das Beteiligungs- und Beratungsunternehmen Droege Group ein. Im Juni 2024 war Weltbild erneut insolvent und stellte Mitte 2024 den Geschäftsbetrieb vollständig ein.

XY-ungelöst. Ein breites Feld. Wann zum Beispiel kann man melden „Schwaben Center heißt jetzt XY“? Und was wird aus dem geschlossenen Karstadt? Ja, das waren noch Zeiten, als es 1969 hieß: Aus dem Stetten-Institut (jetzt am Katzenstadel) wird Neckermann. Und schon bald (1976) war klar: Der Kaufhaus-Neubau geht an Karstadt (später Galeria Kaufhof). Und jetzt? Womöglich zieht wieder eine Schule ein? Wenn das Schule macht!

Zeuna Stärker wurde ArvinMeritor (2003), dann Emcon (2007), Faurecia (2010) und schließlich Forvia (2022). Der Automobilzulieferer wurde durch die Entwicklung von Abgassystemen weithin bekannt. Und der französische Faurecia-Konzern zählt heute zu den weltweit führenden Anbietern für Emissionskontroll-Technologien. Gute Luft zum Schluss, was will man mehr?

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