Nachgefragt: Ein Präsident mit Weitblick
Prof. Dr. Dr. h.c. Gordon Thomas Rohrmair im Interview
Prof. Dr. Gordon Thomas Rohrmair (49) prägt seit fast zehn Jahren als Präsident die Technische Hochschule Augsburg. Im Interview mit dem Top Magazin spricht er über die rasante Entwicklung der Hochschule, die Chancen und Herausforderungen von KI, die Bedeutung von Mut und Leidenschaft, aber auch wie er privat am liebsten abschaltet und was er sich für die Studierenden von Herzen wünscht.
top: Sie sind seit fast zehn Jahren Präsident der Hochschule. Wie kommt man denn zu so einer Position?
Rohrmair: Ich bin in Dasing aufgewachsen, meine Eltern hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb. Nach der Realschule in Friedberg wünschten sie sich, dass ich eine Banklehre mache. Diesen Wunsch habe ich ihnen nicht erfüllt. Ich habe mich für die Fachoberschule entschieden und danach Informatik studiert. Nach meinem Abschluss an der Hochschule Augsburg – hier sind also meine Wurzeln – habe ich 2001 meinen Master in Informatik an der Heriot-Watt University in Edinburgh gemacht und anschließend an der Oxford University promoviert. Nach Stationen als Strategieberater und Projektmanager bei Siemens kam ich 2009 als Professor für IT-Sicherheit zurück an die Hochschule Augsburg. 2010 wurde ich Vizepräsident für Forschung und Wissenstransfer, 2016 dann Präsident – damals einer der jüngsten in Deutschland. Heute leite ich die Technische Hochschule Augsburg mit großer Freude und viel Engagement. Und ich bin Mitglied im Lenkungsrat des Bayerischen Wissenschaftsforums BayWISS.
top: Was hat sich denn an der Hochschule Augsburg seit Ihrer eigenen Studienzeit am meisten verändert?
Rohrmair: Die Ausstattung ist heute deutlich besser, die Studieninhalte wurden dem aktuellen Wissensstand angepasst und erweitert. Aber an der DNA unserer Hochschule, dem Grundsatz, die Studierenden bestmöglich auf das Berufsleben vorzubereiten, hat sich nichts geändert. Wir legen weiterhin großen Wert darauf, dass unsere Absolventinnen und Absolventen nicht nur fachlich, sondern auch persönlich bestens gerüstet sind.
top: Wie viele Studierende und Professuren gibt es denn aktuell an der Hochschule Augsburg?
Rohrmair: Wir haben derzeit rund 7.500 Studierende, und die Zahl wächst stetig – bald werden es wohl 7.700 sein. Dazu kommen über 200 Professuren, die in Lehre und Forschung tätig sind. Die Hochschule ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, sowohl was die Studierendenzahlen als auch die Zahl der Studiengänge und Forschungsprojekte betrifft.
top: Die Hochschule investiert stark in Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz. Was sind die wichtigsten Entwicklungen?
Rohrmair: Wir haben ein KI-Produktionsnetzwerk aufgebaut, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette verschiedener Produkte eine bedeutende Rolle spielt. Mit unserem Zukunftskonzept gP_2025 investieren wir in neue, dringend benötigte Studiengänge wie Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt Arbeitswelt 4.0, International Information Systems und den „Digitalen Baumeister“. Außerdem haben wir beispielsweise mit Prof. Dr. Michael Kipp und Prof. Dr. Alessandra Zarcone echte KI-Kapazitäten im Team.
top: Gibt es dann die passende Hardware dazu?
Rohrmair: Ja, die Hardware haben wir aufgerüstet. Wir haben einen großen Computer für eine Viertelmillion Euro gekauft, der die verfügbare Rechenpower der Hochschule in neue Sphären schrauben soll. Im Vergleich zu den gigantischen Serverfarmen von Google und Co. ist die geplante Anlage zwar „eher ein Taschenrechner“, trotzdem ist diese Investition eine wichtige Säule des neuen KI-Kompetenzzentrums der Hochschule. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, lokale Unternehmen bei der KI-Revolution zu unterstützen und gleichzeitig ein größeres Bewusstsein in der Gesellschaft für die Veränderungen zu schaffen, die diese Technologien in unser Leben bringen.
top: Wie machen Sie die Hochschule fit für ChatGPT und Co.?
Rohrmair: Das Thema Künstliche Intelligenz ist spätestens seit dem Durchbruch von ChatGPT in aller Munde. Wir haben schon vorher viel in diesem Bereich getan, aber jetzt geht es darum, die Studierenden nicht nur im Umgang mit KI-Werkzeugen zu schulen, sondern ihnen auch beizubringen, die Ergebnisse kritisch zu hinterfragen. Ein Beispiel: Wir haben eine Anwendungsdatenbank für Projekte entwickelt, bei der wir – unterstützt durch KI – fast vergessen hätten, eine wichtige Berechtigungsabfrage einzubauen. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass man sich nicht blind auf die Technik verlässt, sondern immer auch selbst mitdenkt. Das ist der Spagat, den wir an allen Ecken sehen: Die Mächtigkeit von KI nutzen, aber auch die Fähigkeit behalten, sie zu evaluieren.
top: Die Sparkscon hat sich zu einem der größten Events in Deutschland entwickelt. Was macht für Sie den Reiz dieser Veranstaltung aus?
Rohrmair: Die Sparkscon ist ein echtes Highlight, weil sie die Top-Leute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zusammenbringt. Gerade in Zeiten großer Unsicherheit und Veränderung ist es wichtig, sich auszutauschen, neue Perspektiven zu gewinnen und die eigene Weltsicht zu hinterfragen. Und man bekommt eine Bühne, wo man seine eigene Meinung ein bisschen hinterfragen kann. Stimmt die Weltsicht, die man hat? Die Panels und Vorträge bieten Inspiration, und die Vernetzung unter den Teilnehmenden ist enorm wertvoll. Für mich persönlich sind die Gespräche das Highlight – etwa, wenn ich mit einem Bauspezialisten diskutiere, wie man mit KI zum Beispiel Betondecken ressourcenschonender planen kann. Das sind Themen, die ich vorher gar nicht auf dem Radar hatte.
top: Das Thema Fairness bei KI wird oft kritisch diskutiert. Wie sehen Sie das?
Rohrmair: Es gibt tatsächlich KI-Modelle, die etwa bei Kreditvergaben diskriminieren können. Das zu erkennen und zu verhindern, ist eine große Herausforderung. Aber man muss auch sehen: Künstliche Intelligenz ist im Schnitt neutraler als ein schlecht gelaunter Sachbearbeiter. Sie liefert die Leistung, die man spezifiziert hat. Trotzdem müssen wir als Gesellschaft lernen, die Fehlerquellen zu erkennen und zu eliminieren. Das ist ein wichtiger Teil der Ausbildung an unserer Hochschule.
top: Wie sieht denn nun beim Präsidenten der THA ein Arbeitstag aus?
Rohrmair: Routine gibt es bei mir kaum. Montags und dienstags bin ich meist an der Hochschule, mittwochs oft im Homeoffice oder bei externen Terminen, donnerstags und freitags wieder vor Ort. Dazu kommen viele Sitzungen, etwa im Präsidium oder im Vorstand von Hochschule Bayern.
top: Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Rohrmair: Sie ist unglaublich abwechslungsreich. Man kann gesellschaftlich etwas Gutes tun und man hat sehr viele tolle Kolleginnen und Kollegen. Fachlich bin ich leider kaum noch aktiv, doch mich reizen die Start-ups, die hier entstehen, die verschiedenen Forschungsprojekte und das sehr vitale Umfeld.
top: Stichwort Fachkräftemangel: Was tut die THA dagegen?
Rohrmair: Eine gute Frage. Wir beobachten die Entwicklungen am Arbeitsmarkt sehr genau und passen unsere Studiengänge entsprechend an. Gerade im Bereich Wirtschaftsinformatik und bei internationalen Studierenden haben wir in den vergangenen Jahren stark ausgebaut. Unsere Bewerbungszahlen sind hoch – auf 2.000 Studienplätze kommen aktuell rund 11.000 Bewerbungen. Besonders gefragt sind Studiengänge wie Soziale Arbeit oder Wirtschaftspsychologie, wo wir deutlich mehr Bewerber als Plätze haben.
top: Verraten Sie uns Ihren Lieblingsplatz in Augsburg?
Rohrmair: Ich mag den Rathausplatz sehr – mit einem Cappuccino draußen sitzen und das Treiben beobachten, das ist für mich Lebensqualität. Auch die Plätze hier am Kanal direkt an der Hochschule oder bei unserer Bibliothek gefallen mir sehr gut.
top: Wie verbringen Sie denn Ihre Freizeit?
Rohrmair: Mit zwei Kindern im Alter von zehn und zwölf Jahren bleibt nicht viel Zeit für persönliche Hobbys. Wir haben uns einen Fitnesskeller eingerichtet und versuchen, regelmäßig Sport zu machen. Ansonsten steht die Familie im Mittelpunkt. Unsere Urlaube verbringen wir gerne an der Nordsee bei meinen Eltern, die dort inzwischen wohnen, oder im Süden, wenn es nach meiner Frau und mir geht. Wir wohnen zwar im Allgäu in Memmingen, aber obwohl die Berge so nah sind, gehen wir eher mal in eine Kletterhalle.
top: Haben Sie ein Lebensmotto?
Rohrmair: Ja, das ist: „Wissen öffnet Wege – Mut geht sie.“
top: Was wünschen Sie sich für die Zukunft – für die Hochschule und für Ihre Studierenden?
Rohrmair: Ich wünsche mir, dass unsere Absolventinnen und Absolventen das finden, wofür ihr Herz schlägt. Die Welt wird komplexer und anstrengender, aber wer seine Leidenschaft findet, wird auch diese Herausforderungen meistern. Und ich wünsche mir, dass wir als Hochschule weiterhin mutig vorangehen und die Zukunft aktiv gestalten.

Top-Herausgeberin Sabine Roth im Gespräch mit Prof. Dr. Dr. h.c. Gordon Thomas Rohrmair auf der diejährigen Sparkscon auf dem Gaswerkgelände
Foto: Stefan Winterstetter

