Der Brecht – Weg

Ein Spaziergang mit dem „missratenen“ Sohn der Stadt
Die Regio Augsburg Tourismus GmbH hat zum Brecht-Weg eine kostenlose App auf den Markt gebracht, die Interessierte auf einem Spaziergang durch die Stadt zu den wichtigen Stationen aus Brechts Leben führt. Das Top Magazin hat exklusiv mit Schauspieler und Opernsänger Erik Völker die Stadtführung dazu begleitet. Dabei haben wir so einige Geschichten über den Augsburger Dichter erfahren.
Die neue, kostenlose Brecht-Weg-App der Regio Augsburg führt auf einem Rundgang zu acht Stationen, die für den berühmten Sohn der Stadt von zentraler Bedeutung waren. Der Clou: An manchen Stationen erscheint „Brecht höchstpersönlich“ in den Videos. In die Rolle des Dichters ist Erik Völ- ker – gekleidet im ikonischen Ledermantel und mit Zigarre im Mund – geschlüpft. Er schwelgt in Erinnerungen, musiziert und dichtet. Ergänzt werden die Filme durch Kommentare von Brecht-Experten, Musi- kern und einer Pfarrerin sowie durch Origi- nalfotos von Brecht und Navigationskarten.
Getroffen haben wir Erik Völker, der zudem an der Ausarbeitung der App-Texte mitgewirkt hat, am Rathaus. Allerdings ist er kaum wiederzuerkennen, denn er trägt einen Vollbart. „Sie wundern sich sicherlich, Sie haben Bert Brecht erwartet. Und der hatte ja nie einen Vollbart, nur im Alter mal einen Schnurrbart“, sagt er augenzwinkernd und ergänzt: „Das wird keine typische Stadtführung. Denn hier kommen auch Sie mit ins Spiel. Brecht macht ja immer etwas mit einem. Man muss bei ihm Position be- ziehen.“
1. Station: Augsburger Rathaus
Augsburg hat lange gebraucht, um Brecht anzuerkennen, erzählt Erik Völker: „Wir sprechen von der Fuggerstadt, aber nicht von den Brechtianern.“ In der schwäbischen Metropole galt Brecht lange als der „missratene Sohn“. So konnte man sich auch in der Gründungszeit der Universität nicht durchringen, diese nach dem berühmten Dramatiker zu benennen – er war zu marxistisch, zu unbequem.Wie rebellisch der Autor war, zeigt auch eine berühmte Fotoreihe, die von ihm in seinem Ledermantel gemacht wurde. Erik Völker holt ein Buch dazu vor und zeigt die Bilder: „In den 1920er-Jahren ließen sich Familien meist steif und mit geradem Rücken fotografieren. Brecht nimmt hier eine entspannte Haltung, eine Denkerpose ein – eigentlich lümmelt er hier richtig im Stuhl.“ Er habe sich damals die Geheimratsecken ausrasiert, weil dies für Intellektualität stand. Und der Ledermantel war ebenso Teil seiner Inszenierung. Denn man glaubte damals, dass die Bolschewiken in Moskau Ledermäntel trugen.
Erik Völker stammt aus einer Augsburger Eisenbahner- und Künstlerfamilie. Er studierte in Düsseldorf Gesang. Der Bariton ist ein versierter Interpret zeitgenössischer Musik. Vom Chor der Oper Graz wechselte Erik Völker 2008 in den Opernchor des Staatstheaters. In Augsburg war er in den Opern »I hate Mozart« von Bernhard Lang und »Kaspar Hauser« von Hans Thomalla zu hören. Bei dem Stück „Musketiere“ auf der Freilichtbühne spielte er den König Ludwig. Der Brecht- und Fußballfan bietet für die Regio Augsburg Bert-Brecht-Führungen an.
2. Station: Gablers Taverne
Die Trautweinsche Gastwirtschaft galt als Treffpunkt der Brecht-Clique. Der Freun- deskreis nannte sie Gablers Taverne, weil sie von dem Ehepaar Gabler geführt wurde. Dort bekamen die jungen Leute immer wie- der mal ein Butterbrot umsonst, wenn sie knapp bei Kasse waren. Außerdem schenk- te Frau Gabler selbst gemachten Heidel- beerwein aus. Das Gebäude in der Altstadt ist auch heute ziemlich heruntergekommen, was Völker fasziniert: „Es wirkt fast so, als wäre es inszeniert.“ Er erzählt, dass in der damaligen Fuhrmannskneipe Handwerker verkehrten, von denen sich der Schriftsteller sprachlich inspirieren ließ. Das galt auch für den Plärrer. „Über den Plärrer hat er einmal gesagt, dass man dort die Welt kennenlernt, wie sie wirklich ist. Also dieses fahren- » de Volk, das außerhalb der Konvention lebt und von der großen Welt erzählt“, ergänzt der Stadtführer. Zur Untermalung holt er eine Ukulele aus dem Rucksack und singt einen typischen Brecht-Song. „Denn Brecht hat gerne gesungen – wenn auch nicht sehr schön, wie seine Freunde sagten –, aber sehr leidenschaftlich. Und er hat sich auf de»r Gitarre immer selbst begleitet.“
3. Station: Barfüßerkirche
In der Barfüßerkirche wurde Brecht getauft und konfirmiert. Das Hauptschiff der einst prächtigen Barockkirche wurde im Krieg zerstört und nicht wieder aufgebaut – es dient heute als Mahnmal. Völker ergänzt, dass Brecht zwar nicht gläubig war und der Kirche kritisch gegenüberstand, dennoch war er bibelfest. Auf Fragen nach seinem Lieblingsbuch habe er immer geantwortet: „Sie werden lachen, die Bibel.“ Das sei ein kleiner Sidekick gewesen, denn das „Sie werden lachen“ bezog sich auf einen damals recht bekannten Witz, der in Berlin erzählt wurde: Ein Mann kommt am Abend nach Hause,trifftaufseinehalbentkleideteEhe- frau im ehelichen Schlafzimmer. Dann hört er ein Geräusch aus dem Kleiderschrank. Dort steht ein ebenfalls halb entkleideter, ihm gänzlich unbekannter junger Mann mit einer Hand an der Kleiderstange, der zu ihm sagt: „Sie werden lachen, ich warte hier auf die Straßenbahn.“
4. Station: Brechts Geburtshaus
In dem Haus am Lechkanal wurde Brecht am 10. Februar 1898 geboren. Unten arbeitete ein Feilenhauer, der mit Hammer und Meißel Rillen in Feilen schlug. „Das war unfassbar laut, staubig und feucht. Deshalb ist die Familie Brecht, die ein paar Zimmer im ersten Stockbewohnte, bereits nach einem halben Jahr umgezogen“, erklärt Völker. Die Eltern riefen ihren Sohn übrigens Eugen, schließlich lautet sein voller Name laut Geburtsurkunde Eugen Berthold Friedrich Brecht. Später änderte der Dichter seinen Namen. „Bert klang für ihn amerikanischer und härter.“ Schon früh war er darauf bedacht, seine Außenwirkung zu kontrollieren.
5. und 6. Station: Elternhaus 2 und Liliom
Im Elternhaus „Bei den sieben Kindeln“ wurde Brechts Bruder Walter geboren. Hier wohnte die Familie zwei Jahre. Der Name geht auf das Relief aus der Römerzeit zurück, das das angrenzende Haus schmückt. Eine Stadtlegende besagt, dass eines der sieben Kinder einer römischen Familie in den Lech gefallen und ertrunken ist. Brecht besuchte mit seiner Familie regelmäßig das nahegelegene Jugendstilbad – auch wenn er sich als Kind wohl nicht so gerne gewaschen haben soll. Umso mehr faszinierte ihn schon in jungen Jahren das Theater. Er saß im Zuschauerraum und schrieb bissige Kritiken. Damals soll er frech gesagt haben, dass er für die Schließung sämtlicher Theater aus künstlerischen Gründen sei.
7. und 8. Station: Bert-Brecht-Straße und Elternhaus 3
Die Tour endet an der Bert-Brecht-Straße und am dritten Elternhaus der Familie. In der App erinnert sich Brecht hier an die Frauen in seinem Leben, darunter seine Jugendliebe Marie Rose Aman. „Er hat sie hier geküsst, worauf sie befürchtete, dass sie jetzt schwanger sei. Seine Reaktion war daraufhin: Du musst zu deiner Mutter gehen und dich aufklären lassen“, so der Stadtführer. Frauenheld Brecht lebte damals in der „Haindl-Kolonie“. Hier lebten invalide oder „ohne Schuld unbemittelte“ Augsburger zu verbilligten Mietpreisen. Sie wurde von der Witwe des Papierfabrikanten Haindl nach dem Vorbild der Fuggerei errichtet. Brechts Familie war allerdings gut situiert. Der Vater hatte Karriere bei den Haindlschen Papierfabriken gemacht und wohnte als Prokurist und Verwalter der Haindlschen Stiftungshäuser dort. Die Familie hatte genug Wohnraum für jedes Familienmitglied und auch für das Hauspersonal. Brechts Zimmer ging nach hinten raus, mit einem Fenster in den Garten und dem zweiten Fenster auf die Kastanienallee, auf der er ab und zu spazier- te und sich Notizen für Theaterstücke und Gedichte machte. „Brecht war ein Rebell, aber seine Eltern unterstützten ihn“, erklärt Völker. „Sein Vater finanzierte seine Karriere, und seine Mutter glaubte an ihn.“ In der Mansarde des Hauses schrieb Brecht seine ersten Theaterstücke und Gedichte.
INFO: Die neue App „Der Brecht-Weg“ gibt es kostenlos im App Store (Apple) und im Play Store (Google).